Mondblindheit bei Appaloosas: Das sind die großen Risikofaktoren
29.06.2020 / News
Appaloosas haben ein generell erhöhtes Risiko, an periodischer Augenentzündung (ERU = Equine Rezidivierende Uveitis, umgangssprachlich als ,Mondblindheit' bezeichnet) – zu erkranken. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Diese Farbmuster wurden im Rahmen der Studie untersucht: FS (= Fewspot), Leo (= Leopard/Tigerschecke), SC (= Snowcap), SB (= spotted blanket), LB (= lace blanket), WF (= white flecks), NP und NP Adult (= no pattern), S und S Adult (= solid). / Fotos: Linda Hokanson (A,B,G,H), Joanne Greenwood (C), Sheila Archer (D), Kim Utke (E), Cassidy Coba
Appaloosa-Pferden erkranken besonders häufig an Mondblindheit. Eine kanadische Studie hat untersucht, welche Risikofaktoren das Auftreten dieser schweren Augenerkrankung bei Appaloosas begünstigen – und kommt dabei zu spannenden Ergebnissen.
Das Risiko, an der sogenannten periodischen Augenentzündung (Equine Rezidivierende Uveitis, ERU) – umgangssprachlich auch als Mondblindheit bezeichnet – zu erkranken, ist bei Appaloosas deutlich größer als bei anderen Pferderassen, ebenso die Wahrscheinlichkeit eines besonders schweren Verlaufs der Krankheit, die in vielen Fällen zu völliger Erblindung führt. Hauptverantwortlich dafür sind – wie bereits frühere Untersuchungen bestätigen konnten – bestimmte genetische Marker, wozu auch das Gen ,TRPM1’ zählt, das für viele Varianten der typischen Appaloosa-Musterung verantwortlich ist.
Eine vor kurzem veröffentlichte Studie kanadischer Wissenschaftler hat untersucht, ob bei bestimmten Fellfarben bzw. Farbmustern ein erhöhtes ERU-Risiko nachweisbar ist – und ob es daneben auch noch andere Risikofaktoren für Appaloosas gibt, etwa Geschlecht oder Alter. Die bemerkenswerten Ergebnisse ihrer Analysen wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift ,Veterinary Ophthalmology’ veröffentlicht.
Im Rahmen ihrer Studie führten die Wissenschaftler detaillierte Augenuntersuchungen bei insgesamt 145 Appaloosa-Pferden in elf unterschiedlichen Gestüten in den Provinzen Saskatchewan und Alberta durch, ebenso wurden Blutproben für DNA-Analysen entnommen. Die Pferde waren zwischen einem halben und 26 Jahre alt, 99 waren Stuten, 46 Hengste bzw. Wallache. Fellfarben und -muster wurden fotografisch dokumentiert, auch das Pedigree wurde – sofern verfügbar – für eine Abstammungs-Analyse herangezogen.
Insgesamt wurde bei 20 der 145 untersuchten Pferde (= 14 %) ERU diagnostiziert. Bei 19 der 20 Pferde betraf die Entzündung beide Augen, bei einem Pferd war lediglich ein Auge befallen. Von den 20 Fällen wurden 5 als leicht bzw. mild, 4 als mittelschwer und 11 als schwer eingestuft.
Hinsichtlich der Risikofaktoren, die mit einem erhöhten Auftreten von ERU verbunden waren, kamen die Wissenschaftler zu folgenden interessanten Ergebnissen:
– Es gab keinen Zusammenhang zwischen Geschlecht oder Grundfarbe und ERU – diese beiden Faktoren haben offensichtlich keinen Einfluss darauf, ob ein Appaloosa an ERU erkrankt oder nicht.
– Das Ausmaß der Depigmentierung mit zunehmendem Alter scheint ebenfalls kein Risikofaktor für die ERU zu sein.
– Als bedeutender Risikofaktor stellte sich hingegen das Alter heraus: Das Durchschnittsalter erkrankter Pferde betrug 12,3 Jahre. Mit jedem Lebensjahr wächst die Wahrscheinlichkeit, an ERU zu erkranken, um das 1,15-fache und der Augenschaden um das 1,19-fache.
– Pferde mit Leopard- bzw. Tigerschecken-Komplex (leopard complex spotting genotype) haben generell ein erhöhtes Risiko, an ERU zu erkranken, die dabei auftretenden Augenschäden sind tendenziell umfangreicher.
– Was das Fellmuster betrifft, so zeigten die sogenannten ,Fewspots’ (FS) – also nahezu vollständig weiße Pferde mit minimaler Farbzeichnung an Flanken, Hals oder Kopf – die höchste Wahrscheinlichkeit für ERU, nämlich 44 %, d. h. von 16 Pferden mit diesem Fellmuster waren 7 ERU-positiv. Ein ebenfalls deutlich erhöhtes ERU-Risiko haben ,Snowcaps’ (SC, also Appaloosas mit Decke ohne Flecken) – hier lag die ERU-Wahrscheinlichkeit bei 29 %, d.h. 5 von 17 Pferden waren erkrankt. Tigerschecken (Leo) hatten ein ERU-Risiko von 15 %, Appaloosas mit Decke und Flecken (SB, spotted blanket) von 11 %, Pferde ohne Muster (NP, no pattern) von 13 %, womit sie weitgehend dem statistischen Mittelwert entsprachen.
– Besonders interessant war, dass es bei den untersuchten Pferden insgesamt drei Farbzeichnungen ohne jeglichen ERU-Befund gab – nämlich die sogenannten ,lace blankets’ (LB) mit kleinem weißen Muster über dem Rumpf, weiters die sogenannten ,white flecks’ (WF) mit einer kleinen Anzahl von unterbrochenen weißen Mustern über dem Rumpf – und schließlich die sogenannten ,solids’ (S), also Pferde ohne Leopard-Allel, daher auch ohne Flecken, die auch nicht mit dem Alter „roanen“.
– Wie sich herausstellte, spielt auch die Abstammung eine wesentliche Rolle: So wurde für 15 von 18 (83%) der betroffenen Pferde ein gemeinsamer Vorfahr innerhalb von acht Generationen identifiziert, fünf waren auf diesen sogar ingezogen. Die Autoren vermuten daher, dass „zusätzliche genetische Risikofaktoren an der Erkrankung beteiligt sein können".
Insgesamt zeigte sich also – so das Resümee der Wissenschaftler – dass sowohl das Alter, als auch das Fellmuster sowie die Abstammung die größten Risikofaktoren für das Auftreten von ERU darstellen. Eine weitere zentrale Erkenntnis der Studie war, dass viele Pferde chronische, milde klinische Symptome aufweisen, die lange unentdeckt bleiben können und erst dann diagnostiziert werden, wenn die ERU-Erkrankung weiter fortgeschritten und schwieriger zu behandeln ist. Für die Besitzer von Appaloosas ist es daher besonders wichtig, möglichst regelmäßig Augenuntersuchungen durchzuführen, insbesondere ab dem 12. Lebensjahr, das sich in der Untersuchung als kritische Schwelle herausgestellt hat.
Die Untersuchung „Risk factors for equine recurrent uveitis in a population of Appaloosa horses in western Canada" von Lynne S.Sandmeyer, Nicole B. Kingsley, Cheryl Walder, Sheila Archer, Marina L. Leis, Rebecca R. Bellone und Bianca S. Bauer ist am 22. Februar in der Zeitschrift ,Veterinary Ophthalmology' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.